Published in: Kunstbulletin 4/2017
Maria Loboda. Die Geister, die man ruft.
Das Vorhaben, zumindest für eine Weile nicht an die Weltpolitik zu denken, scheitert bereits nach wenigen Schritten in die Ausstellung. Maria Lobodas ‹Havoc in the Heavenly Kingdom› in der Kunsthalle evoziert die Auseinandersetzung mit Machtverhältnissen, deren Bedingungen und Überwindbarkeiten.
Die in Berlin lebende Künstlerin legt in ihrer ersten institutionellen Einzelausstellung in der Schweiz Fährten, welche die Kuratorin Elena Filipovic als zeitgenössische Archäologie bezeichnet. Ein Begriff, der in Bezug auf das Werk Maria Lobodas (*1979, Krakau) in seiner Paradoxie Sinn macht: aufgeladen mit Bezügen in die weit entfernte Vergangenheit, aber auch fest in der Gegenwart verankert. Und so beginnt die Spurensuche bereits auf dem Weg in den ersten Stock der Kunsthalle: Eine unscheinbare Gipssäule am Treppenabsatz ist mit dem Schweif eines Satyrs versehen. Keine Arbeit, die grosses Staunen auslöst. Eher ein subtiler Auftakt, der einer Erklärung bedarf. Mit der Zusatzinformation jedoch - dem Verweis auf die römische Kopie einer antiken, griechischen Skulptur, die für Eitelkeit, Dekadenz und gefallene Zivilisationen steht - wird ein hilfreiches Leitmotiv an die Hand gegeben.
Das hohe und weitläufige Obergeschoss der Kunsthalle Basel öffnet sich nach dem zurückhaltenden Auftakt im Treppenhaus in ein immersives Objektensemble. In dessen Zentrum stehen drei monumentale, geometrisch reduzierte Tore, deren Präsenz den Hauptraum dominiert. Flankiert werden sie von grossformatigen Fotografien, die edles Beinkleid in schlammiger Umgebung zeigen. Der Weg zur Macht, so die recht eindimensionale Lesart dieser Arbeiten, ist immer auch ein schmutziger. Doch weiter, durch die Tore. In feiner Schrift steht im zweiten Durchgang der Hinweis, den Blick auf die linke Säule des letzten Tors zu richten. Eine Brandbombe, die Waffe der Revolutionäre, ist dort oben platziert. Das Damoklesschwert des 21. Jahrhunderts und die subtile Warnung davor, den Status quo als eine unüberwindbare Tatsache zu begreifen.
Und so geht es weiter. Angedeutete Spuren und fragmentierte Arbeiten setzen sich nach und nach zu einer Narration zusammen, die eine stark konzeptionelle Arbeitsweise deutlich macht. Neben der politischen Dimension ist in vielen Arbeiten der Künstlerin zudem eine Aura des Okkulten und Magischen präsent. Eine Melange, die genaues Hinsehen und Nachdenken verlangt. Es lohnt sich, den von Maria Loboda gelegten Fährten zu folgen. Die Gegenwart ist eine Ansammlung fragiler ikonischer Figuren, und nie schien es wichtiger, sich dieser Instabilität bewusst zu werden. Der Eindruck drängt sich auf, dass eine unorthodoxe politische Zeit möglicherweise ebenso unorthodoxe Varianten des Widerstands verlangt.