Published in: Kunstbulletin 4/2018
Ein Bild für den Kaiser. Japaner auf Zuckerplantagen in Hawaii
Hawaii und Japan, das ist eine komplizierte, lange und tragische Geschichte, die ihren traurigen Höhepunkt im Angriff der Japaner auf Pearl Harbor am 7. Dezember 1941 fand. Um Pearl Harbor geht es in der Ausstellung im Johann Jacobs Museum nicht. Darum, wie es dazu kam, vielleicht aber schon.
Japan war zum Ende des 19. Jahrhunderts eine aufstrebende globale Macht, die im pazifischen Raum mehr und mehr mit einem Herrschaftsanspruch agierte, den man auch von westlichen Kolonialmächten kannte. So waren beispielsweise das heutige Taiwan und auch Korea zeitweise unter der Herrschaft des japanischen Kaiserreichs. Auch die Inselgruppe Hawaii, zur damaligen Zeit noch ein unabhängiges Königreich, war verflochten mit dem ostasiatischen Inselstaat: Zur Bewirtschaftung der Zuckerrohr- und Ananasplantagen entsandte der japanische Meiji-Kaiser zahlreiche Vertragsarbeiter nach Hawaii. Dann, nach Etablierung der Arbeitsbeziehungen, auch vermehrt junge Frauen, die als sogenannte «picture brides» den Inselbewohnern feilgeboten wurden und eine vielseitig beeinflusste hawaiianische Kultur mitformten. Der Kaiser stellte sich also gut mit dem König Hawaiis und sollte dafür mit einem Ölgemälde des amerikanischen Malers Joseph Dwight belohnt werden, das in der Ausstellung im Johann Jacobs Museum den Ausgangspunkt einer globalhistorischen Untersuchung bildet. Das Bild gelangte zwar - die Gründe sind Gegenstand verschiedener Spekulationen - nie in den Besitz des Kaisers, doch öffnet es nun, 150 Jahre später und platziert in einem herrschaftlichen Zimmer der Villa am Zürichsee, das Fenster zu einer Zeit, die geprägt war von Migration, geopolitischen Machtstrukturen und globalen Verflechtungen. Nicht unähnlich der Kräfte also, die auch auf unsere Gegenwart wirken und sich somit als höchst aktuell erweisen.
Eine solche rückwärtsblickende Archäologie basiert auf neu kontextualisierten historischen Objekten und Dokumenten. So werden im Untergeschoss des Museums historische Karten der hawaiianischen Inseln gezeigt, welche die komplexen Machtgefüge sichtbar machen, denen das Königreich unterworfen war. Informative Wandtexte begleiten diese Fundstücke und eröffnen das Panorama einer kreolischen Gesellschaft: beeinflusst von Asien, Amerika, gebürtigen Hawaiianer/innen und temporären Besuchern wie dem deutschen Arzt Eduard Arning, der 1883 nach Hawaii kam, um die Lepra zu bekämpfen. Gleichzeitig betätigte er sich als Amateurfotograf und nahm mit westlich-ethnografischem Blick die hawaiianische Bevölkerung auf. Die Verantwortlichen des Johann Jacobs Museum gehen mit diesen auf das vermeintlich Exotische zielenden Arbeiten gewohnt verantwortungsvoll um. Und lenken den Blick einmal mehr auf Übersehenes. Mit der Aufmerksamkeit gegenüber dem Vergangenen regen sie zum Nachdenken über die Gegenwart an.