Published in: Kunstbulletin 05/2016
Dada weiblich
Zürich ist stolz auf Dada. Seit Beginn des Jubeljahres am 5. Februar im Cabaret Voltaire rollt sie, die Jubelwelle: In zahlreichen Ausstellungen wird das Bild der Dada-Stadt Zürich weiter geformt. Auch das Haus Konstruktiv macht mit und widmet sich der weiblichen Perspektive auf Dada.
Drei Ausstellungen, fünf Künstlerinnen. Damit trägt das Haus Konstruktiv dazu bei, die Auseinandersetzung mit Dada um eine weitere, oft vernachlässigte Facette zu erweitern: den weiblichen Blick auf eine sehr männliche Bewegung, die geprägt war von Lichtgestalten wie Marcel Duchamp, Hans Arp oder Hugo Ball. Dass auch Künstlerinnen einen massgeblichen Einfluss auf die Dada-Bewegung hatten, beleuchtet die historische Ausstellung ‹Dada anders› mit Werken von Sophie Taeuber-Arp (1889-1943), Hannah Höch (1889-1978) und Elsa von Freytag-Loringhoven (1874-1927). Ganz im Sinne der Bewegung ist die Schau multimedial angelegt und nicht auf einen Stil festzulegen. Von Freytag-Loringhoven wird für ihre feministischen Performances geehrt, von Taeuber-Arp werden Dada-Kleider, korrespondierende Collagen, der Entwurf eines Bühnenbilds für das Theaterstück ‹König Hirsch› von Carlo Gozzi sowie die Repliken der zugehörigen Figuren gezeigt. Feingliedrig und surreal sind sie in einer Glasvitrine aufgereiht und tragen Namen wie ‹Freudanalytikus› oder - als Motto der Ausstellung und ihrer Verbindung zu den Arbeiten der zwei zeitgenössischen Künstlerinnen lesbar - ‹Dr. Komplex›: Dada als möglicher Komplex des Konstruktivismus?
Der in seiner Multimedialität zeitgenössisch anmutende Ansatz der drei Künstlerinnen wird in Verbindung mit den anderen beiden Ausstellungen noch klarer. Die eine, ‹Sss-Mm› der Britin Sadie Murdoch (*1965), hinterfragt in streng-formalistisch collagierten Fotografien die Rolle weiblicher Protagonisten in der Kunst der Moderne. Unter anderem verweist Murdoch auf Duchamp oder Sophie Taeuber-Arp, hinter deren Dada-Kopf sie sich in einer Aufnahme positioniert. Analog zum didaktisch-kuratorischen Ausstellungskonzept knüpfen Murdochs Arbeiten eine Verbindung zwischen Historischem und Zeitgenössischem. Sie sind in ihrem nüchternen Formalismus das dokumentarisch anmutende Bindeglied zur dritten Präsentation ‹Manchmal Ja, manchmal Nein› der deutschen Künstlerin Ulla von Brandenburg (*1974), die wiederum multimedial und stilistisch nicht festgelegt Fragen über den Zusammenhang von Theater und Realität, Illusion und Reflexion verhandelt. Apropos Täuschung: Das Haus Konstruktiv entzaubert mit Hilfe der drei Ausstellungen überzeugend ebenjene, dass Dada vor allem eine männliche Bewegung war.